Weltneuheit: Fugenlose Dragster-Strecke aus Spannbeton

Im November 2009 wurde der erste Formel 1-Wettbewerb auf der neu erbauten Rennstrecke in Abu Dhabi ausgetragen. Dieser Grand-Prix-Parcours ist Herzstück einer gigantischen Anlage mit vielen weiteren Motorsport-Highlights. Eines davon ist der 19 m breite „Dragster Strip“ mit einer Fahrlänge von 600 m. Die Qualitätsanforderungen beim Bau dieser Strecke waren enorm, denn die Betonfahrbahn sollte möglichst fugenarm bzw. fugenlos sein. Zu diesem Zweck wurde ein spezieller Spannbeton entwickelt, der die Fahrer beim Saisonauftakt der Dragster im März 2010 restlos begeisterte.

Spezielle Anforderungen für High Speed-Rennen

Beim „Dragster Race“ kämpfen speziell konstruierte Dragster darum, die Renndistanz von 402,34 m (Viertelmeile) bzw. 201,17 m (Achtelmeile) mit Höchstgeschwindigkeit zurückzulegen. Die Fahrzeuge erbringen dazu Leistungen von einigen 1.000 PS. Die Fähigkeit der Fahrer, die enorme Leistungsfähigkeit ihrer Fahrzeuge auf dem speziell präparierten „Drag Strip“ optimal einzusetzen, entscheidet schlussendlich über Sieg oder Niederlage.

Durch die starke Hitzeentwicklung beim Start verbietet sich ein Fahrbahnbelag aus Asphalt. Die Rennfahrer wünschen sich vielmehr eine Betonstrecke, die möglichst fugenarm oder besser fugenlos ist. Bisher wurde bei solchen Konstruktionen stets eine Bemessung des Fahrbahndeckenbetons vorgenommen. Hierbei entstand immer eine Mittel- bzw. Querfuge, die von den Fahrern nicht erwünscht ist. Beim Bau des „Drag Strip“ in Abu Dhabi ging man einen anderen Weg: Auf Vorschlag der Chemisch Technisches Laboratorium Heinrich Hart GmbH, Neuwied, wurde eine fugenlose bzw. fugenarme Betonfahrbahn in Zusammenarbeit mit dem bekannten Aachener Planungsbüro Tilke GmbH & Co. KG geplant und ausgeführt.

Konstruktion

Unter Berücksichtigung von Temperaturverlauf, Reibungskoeffizient zum Untergrund, Betondruckfestigkeitsklasse, Plattenabmessungen und weiterer Parameter erfolgte die Bemessung der schlaffen Bewehrung und der Spannbetonmonolitzen. Die statische Berechnung ergab eine Plattendicke von 20 cm in der Betondruckfestigkeitsklasse C30 / 37. Die Platte wurde durch Monospannlitzen im Abstand von 20 cm quer und längs vorgespannt. Zusätzlich wurde eine schlaffe Bewehrung als Mindestbewehrung aus Zwang vorgesehen. Zur Minimierung der Reibung zur Unterlage wurde die Spannbetonplatte auf eine unbewehrte Sauberkeitsschicht sowie eine Lage Vlies und zwei Lagen Trennfolie gegründet.

Eine besondere Herausforderung stellten die extremen Temperaturen und Temperaturdifferenzen am Persischen Golf dar. Bei einer Temperaturdifferenz von 50° C ergab sich eine rechnerische Längenänderung der Platte zu ca. 20 cm. Diese Längenänderung wurde durch den Einsatz von Fahrbahnübergangskonstruktionen am Anfang und am Ende zum jeweils anschließenden Asphaltoberbau berücksichtigt. Ein Jahr nach dem Einbau bewegt sich die Platte an beiden Enden täglich von Tag zu Nacht um ca. 2-3 cm.

Einbringen des Betons

Nach dem Bau eines Testfeldes begann die Ausführung der Betonarbeiten im Mai 2009. Zu dieser Zeit herrschen am Golf tagsüber Temperaturen weit über 40° C – extrem ungünstig für den Einbau von Beton. Weil eine Verschiebung aufgrund des engen Terminplanes undenkbar war, wurde während der Nachtstunden betoniert. Trotz Abkühlung mit Scherbeneis, einer Kühlung des Zementsilos sowie einer Abkühlung der Gesteinskörnungen überstieg die Temperatur des Frischbetons beim Einbau bisweilen 30° C. Die Hydratationswärme führte am Morgen nach dem Einbau auf der Betonoberfläche mitunter zu Temperaturen bis zu 54° C.

Die Bauweise und das Qualitätssicherungskonzept, welches die Chemisch Technisches Laboratorium Heinrich Hart GmbH erstellt hatte, wurden ebenso wie die Nachbehandlungszeiträume überwacht – beim Testeinbau sowie bei der Herstellung der Spannbetonstrecke. Außerdem wurden die Frischbetontemperatur sowie das Konsistenzmaß kontrolliert. Erst wenn alle Parameter den Vorgaben entsprachen, wurde der Frischbeton durch das Labor des Auftragnehmers zur Betonage freigegeben. Auf eine Fremdüberwachung verzichtete der Auftraggeber.

Zwei Betonpumpen förderten den Frischbeton auf die Fläche. Dort wurde der Baustoff so verteilt, dass immer genügend Material vor der Bohle des Modulfertigers lag. Für die Handverdichtung des Betons mit Innenrüttlern, die ständige Betonvorlage vor der Bohle sowie den Handbetrieb der Bohlen waren insgesamt 40 Betonwerker, ein Betonpolier und ein Bauleiter erforderlich.

Oberflächentextur und Nachbehandlung

Das Aufbringen der Oberflächentextur erforderte eine besondere Einschätzung des Ansteifverhaltens des Betons und erfolgte manuell mit einem Glättbesengerät im entscheidenden Augenblick. Unmittelbar danach wurde die Betonoberfläche mit einem Nachbehandlungsmittel besprüht. Zwei Stunden später war die Oberfläche schon so weit angesteift, dass man ohne Verletzung des Besenstrichs Jutebahnen in voller Breite auflegen konnte. Sie wurden zuvor in einem Wasserbad genässt. In der Abkühlungsphase am nächsten Morgen wurde zusätzlich eine Nachbehandlungsfolie aufgelegt. Sie half, die Jutematten ständig feucht zu halten. Aufgrund der im Testfeld ermittelten Frischbetonkennwerte gelang es, die Felder von 75 m Länge und 19 m Breite bis zum Zeitpunkt des Vorspannens rissfrei zu halten.

Vorspannen

Die zur Vermeidung von Rissen notwendige aufzubringende Spannkraft wird üblicherweise im Rahmen eines statischen Nachweises und der Rechenfestigkeit des Betons ermittelt. Diese Spannkraft lässt sich ebenso wie der Zeitpunkt des Spannens nicht ohne Weiteres abschätzen. Vielmehr hängt die Vorspannkraft ganz entscheidend ab von der Zusammensetzung des Betons, den eingesetzten Monolitzen und dem Bewehrungsgrad der schlaffen Bewehrung.

Diese Berechnungen wurden auch für die Strecke in Abu Dhabi durchgeführt. Auf Basis der Ergebnisse und nach Prüfung der Betondruckfestigkeiten an eigens dafür hergestellten Erhärtungswürfeln erfolgte die Vorspannung der Monolitzen wechselseitig durch Abstützung gegen eine Konterschalung.

Die Monolitzen bestehen aus sieben Einzeldrähten mit einem Durchmesser von je 15,7 mm und befinden sich in einem HDPE-Hüllschlauch. Er ist mit einem besonderen Korrosionsschutzfett gefüllt. Beim Spannen entfernte man die Ummantelung, um mit den Zugbacken besser Greifen zu können. Anschließend wurde die Hülle wieder verschlossen.

Fazit

In der hier beschriebenen Vorgehensweise entstand innerhalb von drei Tagen jeweils ein 75 m langes Betonfeld. Die insgesamt 8 Betonierfelder mit je 19 m Breite waren nach 24 Arbeitstagen komplett betoniert und gespannt.

Die gewählte Spannbetonbauweise ermöglichte einen Bau ohne die bei schlaff bewehrten oder unbewehrten Betonflächen notwendigen Fugen. Für die Rennfahrer bedeutet das neben erhöhtem Fahrkomfort insbesondere eine verbesserte Sicherheit.

Die vorstehenden Ausführungen belegen, dass mithilfe moderner Technologien und durch die Anwendung eines umfassenden Qualitätssicherungskonzeptes eine optimale Gebrauchstauglichkeit sogar unter extremen klimatischen Bedingungen realisierbar ist. Allerdings bleibt unbestritten, dass die Bauausführung besser zu klimatisch günstigeren Jahreszeiten erfolgen sollte.

Übrigens: Nach dem ersten Dragster-Rennen auf der Strecke im März 2010 lobten die Rennfahrer und Veranstalter den Zustand der Betonfahrbahn als „komfortabelste Dragster-Strecke weltweit“.

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